Barrierefreies Publizieren

Was ein alter Hut zu sein scheint, rücken wir besonders in den Fokus, weil wir aus unserer langjährigen praktischen Erfahrung mit barrierefreier Produktion sehen, dass es immer noch an zahlreichen Stellen Optimierungspotenzial gibt – angefangen bei den eingesetzten Programmen und Tools, über ein stärkeres Bewusstsein für das Thema bei unseren Kundinnen und Kunden bis hin zu Fragen, die durch die gängigen Standards nicht abgedeckt werden.

Hintergrund

Mit Inkrafttreten der EU-Richtlinie 2016/2102 über den barrierefreien Zugang zu den Websites und mobilen Anwendungen öffentlicher Stellen sind diese seit September 2018 verpflichtet, im PDF-Format bereitgestellte Dateien barrierefrei zu gestalten. Was das bezogen auf das PDF-Format genau bedeutet, bleibt vage, da die in den Gesetzen und Verordnungen genannten Anforderungen sehr allgemein formuliert sind und zusätzlich auf „den Stand der Technik“ verwiesen wird. Der einzige konkrete Hinweis bezüglich barrierefreier PDFs findet sich bei der Bundesfachstelle für Barrierefreiheit, die in der in Deutschland maßgeblichen BITV 2.0 als „Überwachungsstelle nach § 13 Absatz 3 des Behindertengleichstellungsgesetzes“ angeführt wird. Sie schreibt zu den Anforderungen: „Stand der Technik dürfte z. B. die ISO-Norm 14289-1:2014-12 für die barrierefreie Gestaltung von PDF-Dateien (Standard PDF/UA) sein.“

Status quo

In der Regel ist PDF/UA auch der Standard, auf den sich Anfragen bezüglich barrierefreier PDFs beziehen. Häufig dient ein fehlerfreies Prüfprotokoll des Checkers PAC 3 als zentrales Kriterium zum Nachweis von Barrierefreiheit. Da nicht alle Kriterien von PDF/UA automatisiert geprüft werden können, liegt es aber auf der Hand, dass den Anforderungen an Barrierefreiheit damit noch lang nicht Genüge getan ist. Schon die Bereitstellung wirklich aussagekräftiger Alternativtexte für Bilder, eigentlich eine verlags- und autorenseitige Aufgabe oder aber eine zu beauftragende Dienstleistung, ist nicht immer gewährleistet. Auch Fragen hinsichtlich sinnvoller alternativer Darstellungen für komplexe Formeln oder der optimalen Abbildung der semantischen Struktur auf die PDF-Tag-Struktur bleiben in der Regel völlig offen. Dies sind nur einige wenige qualitative Aspekte, denen künftig mehr Aufmerksamkeit gewidmet werden sollte.

Unser Ziel – erweiterte Gütekriterien für barrierefreie Publikationen

An dieser Stelle haben wir angesetzt, um einerseits unsere internen Prozesse zu standardisieren und auszubauen, aber auch unsere Kundinnen und Kunden gezielt auf das Optimierungspotenzial ihrer Produkte hinzuweisen. Im Ergebnis haben wir zum einen unseren hausinternen Qualitäts- und Prüfstandard etabliert, der sich eng am Matterhorn-Protokoll orientiert und dessen Spezifikationen erweitert und konkretisiert. Er führt die einzelnen Qualitätskriterien und die Methode ihrer Prüfung auf und kann in Form eines PDF-Formulars als Prüfbericht für jedes produzierte Dokument hinterlegt werden. Entstanden ist eine extensive, aber übersichtliche Checkliste. Dieser Qualitätsstandard ist individuell anpassbar und kann somit auch den Gütekriterien einzelner Kundinnen und Kunden oder bestimmter Produkte Rechnung tragen.

Zum anderen entstand eine Dokumentation, die unsere Regeln für das Mapping bestimmter Inhaltsstrukturen auf den PDF-Tag-Baum enthält. Diese Regeln werden sukzessive für neu hinzugekommene Inhaltsstrukturen erweitert. Parallel dazu haben wir ein Musterbuch als barrierefreies PDF erstellt, in dem diese Strukturen konkret umgesetzt sind. Wir laden technisch Interessierte und alle Nutzerinnen und Nutzer dazu ein, sich ebenfalls daran zu orientieren und darüber hinaus mit uns in Austausch zu treten, um das Ergebnis weiter zu optimieren.

Produktion barrierefreier Publikationen: Bisher ist viel Handarbeit gefragt

Die gängigen Satzsysteme allerdings sind auch bei sauberer Auszeichnung der Inhalte nicht in der Lage, ein technisch vollkommen korrektes PDF/UA-Dokument zu erstellen. Dies ist bisher ein großes Hindernis bei der Erstellung barrierefreier PDFs, da oft nachträgliche Eingriffe erforderlich sind, um den Standard zu erfüllen. Neben der Standardisierung von Qualitätsanforderungen stand also die Frage im Raum, wie wir die Prozesse zur Erstellung von PDF/UA-Dokumenten technisch verbessern können, um den Aufwand manueller Nachbesserungen zu verringern.

Bisher haben wir zur Produktion von barrierefreien PDFs Adobe InDesign eingesetzt. Obwohl die Unterstützung für die Erzeugung barrierefreier PDFs mit jeder Version verbessert wird, ist nach wie vor mehr oder weniger viel Nacharbeit erforderlich, um PDF/UA-konforme Daten zu erstellen. Leicht beheben lässt sich etwa, dass Deko-Objekte nicht als Artefakte getaggt werden. Komplizierter wird es, wenn die Bounding Box für Elemente, die sich über mehrere Seiten erstrecken, nicht korrekt ist oder wenn Tabellen-IDs gar nicht oder falsch gesetzt sind.

Neben Adobe InDesign setzen wir auch TeX/LaTeX als Satzsystem ein. Nativ unterstützt TeX die Erzeugung barrierefreier PDFs nicht. Probleme sind z.B. das Unicodemapping der verwendeten Schriften, echte Leerzeichen, die für Barrierefreiheit gefordert sind, sowie fehlende Befehle zur Erzeugung der Strukturelemente, zum Hinterlegen von Alternativtexten oder zur Erzeugung zusätzlich nötiger Extraobjekte im PDF (ParentTree, StructTreeRoot).

Neuer Workflow Barrierefreiheit bei le-tex

Axel Strübing von le-tex setzt sich mit den Problemen und Lösungsmöglichkeiten schon längere Zeit auseinander und hat bereits 2012 zur Tagung des DANTE e. V. (Deutschsprachige Anwendervereinigung TeX e. V.) einen Zwischenstand vorgestellt. Seinen inzwischen zur Produktionsreife entwickelten Ansatz haben wir mittlerweile für unseren Kunden Deutsches Institut für Normung e. V. (DIN) in einen überarbeiteten Workflow integriert. Dieser befindet sich aktuell in der Testphase und die Ergebnisse sind Erfolg versprechend. Durch diesen neuen Workflow können wir sicherstellen, dass die erzeugten Normen im PDF-Format ohne Nacharbeit alle technischen Anforderungen nach dem PDF/UA-Standard erfüllen.

Diese spezifisch auf unseren Kunden DIN zugeschnittene Implementierung bauen wir zurzeit zu einem Standardworkflow zur Produktion barrierefreier PDFs für Bücher und Zeitschriften aus.

Unser Ziel dabei ist es, die Erstellung barrierefreier PDFs effektiver zu gestalten und die Kosten dafür deutlich zu senken. Gerade bei unseren größeren Verlagskunden, die in der Regel ohnehin mit strukturierten Daten ihrer Inhalte arbeiten, sehen wir einerseits das Potenzial, mit überschaubarem Zusatzaufwand zu barrierefreien PDFs zu kommen, andererseits den Bedarf, sich dieses Themas anzunehmen, da nach EU-Richtlinie 2019/882 ab 2025 auch Verlage verpflichtet sind, ihre elektronischen Publikationen barrierefrei anzubieten. Von unserer Expertise können schließlich auch kleinere Verlage und andere potenzielle Interessenten profitieren. Wir investieren schon jetzt in Lösungen und etablieren einen effizienten Workflow, um Ihre Publikationen zukunftsfähig zu machen.

DIN arbeitet schon lange sehr erfolgreich mit le-tex bei der Entwicklung von Konvertierungslösungen zur Generierung von XML-Daten zusammen. In den letzten Jahren hat sich die Zusammenarbeit auf den Bereich der Erstellung barrierefreier PDF-Dokumente ausgeweitet. Besonders stolz sind wir auf die Erzeugung von Normdokumenten aus XML-Quellen im NISO STS-Datenformat. Hierbei wird, dank der Expertise von le-tex, ein vollautomatischer Umbruch mit der Generierung eines standardkonformen PDF/UA-Dokumentes kombiniert.

Thomas Patzner
IT-Projektkoordinator
Informationstechnologie

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Fax: +49 341 355356 509